Singen
und Musizieren stört nicht stärker als Fernsehen und Radio
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Unwirksam ist darüber hinaus auch eine Regelung, die das
Singen und Musizieren ohne sachlichen Grund stärker einschränkt als die
Tonübertragung durch Fernseh-, Rundfunkgeräte oder Kassetten- bzw.
Plattenspieler. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof entschieden (BGH, V
ZB 11/98). In Eigentums-Wohnanlagen und Mietshäusern kommt es immer
wieder zum Streit unter Nachbarn, weil einer dem anderen buchstäblich
die Ruhe raubt. Grundsätzlich gilt: Jeder hat ein Recht darauf, in
seiner Wohnung ungestört zu leben. Auch kann nicht gleich jedes
Geräusch verboten werden. Hinzu kommt, daß Lärm und Lärm zweierlei
sind. Das Paradebeispiel dafür ist die Lautstärke, mit der
bisweilen musiziert, gesungen oder Musik gehört wird. Was für den einen
ein pures Hörvergnügen darstellt, ist für den anderen der "blanke
Horror". Als grobe Faustregel gilt: Lärm- und
Geräuschbelästigungen, die das Wohlbefinden oder sogar die Gesundheit
erheblich beeinträchtigen, muß niemand erdulden. Ortsübliche und
unvermeidliche Lärm- und Geräuschbelästigungen müssen aber hingenommen
werden. Der BGH verlangt, daß die Regelung über die Ruhezeit aus
sich heraus verständlich ist. Die Formulierung, wonach das Singen und
Musizieren nur in "nicht belästigender Weise und Lautstärke" gestattet
sei, ist zu allgemein gehalten. Darauf weist der BGH zusätzlich hin: Beschränkt sich
eine Hausordnung nicht darauf, bestimmte Ruhezeiten festzusetzen,
sondern will sie darüber hinaus die Lautstärke und Intensität der Musik
auch außerhalb der Ruhezeiten reglementieren, so darf sie nur
schwerwiegende Störungen erfassen. Denkbare Beispiele sind
Schlagzeugübungen oder Proben einer Band in den Räumen eines
Wohnungseigentümers. Es macht keinen Unterschied, ob Mitbewohner in der
Ruhezeit durch die Ausübung oder das Anhören von vokaler oder
instrumentaler Musik beziehungsweise durch lautstarke Wortsendungen
gestört werden.
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